Deutschland war ein Kulturschock
Bis heute blieb Klara Boger ihrer neuen Heimat treu und machte eine beispiellose Karriere.
„Meine Mama war erfolgreiche Lagerverwalterin,“ lacht die 44jährige. „Mein Vater war Pilot und hat Ingenieurswesen studiert. Die beiden waren immer meine Vorbilder.“ So war es kein Wunder, dass Klara, kaum in Deutschland angekommen, ein Studium der Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Logistik begann. „Es war schon hart. Ich musste erst einmal Deutsch lernen und dann habe ich ein Studium in einer mir bis dahin fremden Sprache durchgezogen. Das hat mich viel Kraft gekostet. Aber ich wollte es unbedingt erfolgreich absolvieren.“ Noch während ihres Studiums jobbte sie als studentische Hilfskraft in einem Logistikunternehmen, bevor sie ihr Studium 2002 abschloss, von dem Unternehmen übernommen wurde und schließlich gemeinsam mit ihrem damaligen Chef, Arne Lorenzen, im Jahr 2008 zur MBS wechselte. „Wir gingen als ganzes Team zur MBS, denn wir verstanden uns alle sehr gut und haben großartig miteinander gearbeitet. Das hat sich auch nach dreizehn Jahren nicht geändert,“ so Klara Boger.
Die MBS ist ein Mittelständler und die Konkurrenz ist stark, aber wir konnten durch unsere Art des Umgangs mit unseren Kunden, sogar einige von großen Logistikplayern abwerben. Mein Erfolgsrezept: Wir lassen uns voll und ganz auf die Bedürfnisse des Kunden ein.
2008 wurde eine zweite Niederlassung in Hamburg gegründet. „Direkt am Hafen, mit 10.000qm Fläche und saisonal bis zu 20.000 Paletten,“ erklärt Klara Boger stolz. „Bis zur Schließung der Filiale 2013 war ich dort die Niederlassungsleiterin und war immer wieder überrascht, wie wenig Frauen es auf dieser Ebene im Logistik-Bereich gab. Das irritiert mich bis heute und das fängt schon bei der Studienwahl an.“ Anders als in Deutschland sind in Kasachstan knapp die Hälfte aller Studierenden im Bereich der Logistik Frauen. In Deutschland war Klara Boger eine von fünf Frauen – unter 80 Studierenden. „In Kasachstan werden Mädchen schon in der Schule viel besser in Bezug auf naturwissenschaftliche Fächer gefördert,“ so Boger.
„Deutschland war in dieser Hinsicht für mich ein echter Kulturschock.“ Und der zweite Schock sollte recht bald folgen: „Es war und ist für mich bis heute nicht nachvollziehbar, wie ein solch hoch entwickeltes Land wie Deutschland sich einen Gender Pay Gap von fast 20 Prozent erlauben kann.“ Der Gender Pay Gap, also das geschlechtsspezifische Lohngefälle, beschreibt die Differenz des durchschnittlichen Bruttostundenverdienstes der Frauen im Verhältnis zum Bruttostundenverdienst der Männer. Hier belegt Deutschland seit Jahrzehnten einen Spitzenplatz… von hinten. Laut Eurostat, dem statistischen Amt der Europäischen Union, verdienen in Deutschland Frauen rund 19,2 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen.
„Es bleibt viel zu tun in Sachen Gleichberechtigung,“ sagt Klara Boger, selbst Mutter eines Sohnes und einer Tochter. „Ich möchte, dass meine Tochter von der Welt als Mensch wahrgenommen wird. Nicht als Mädchen, das bestimmte Rollen zu erfüllen hat, sondern als Mensch, der all das erreichen kann, was ihr Bruder erreichen kann. Ich wünsche mir eine Welt ohne geschlechtsspezifische Diskriminierung. Und das sollte im Interesse aller sein. Schließlich haben wir doch alle Mütter, Schwestern, Töchter oder Nichten, für die wir das Beste wollen.“